Michel Loris-Melikoff im Interview

Michel Loris-Melikoff, CEO des Kongresshauses Zürich, und Nicolai Squarra von JED Events sprechen über Trends, Herausforderungen und die Zukunft der Zürcher Eventbranche.
Michel Loris-Mellikoff (CEO Kongresshaus)

Zürich zählt zu den spannendsten Eventstandorten Europas – und doch steht auch hier der Markt vor grossen Herausforderungen. In einem exklusiven Interview spricht Michel Loris-Melikoff, CEO des Kongresshauses Zürich, mit Nicolai Squarra, Gründer und CEO von JED Events, über die Zukunft der Eventbranche in Zürich. Gemeinsam analysieren sie Trends, beleuchten Potenziale und diskutieren, ob der Markt bereits an seine Grenzen stösst oder noch Raum für Innovation bietet. Dabei gewährt Loris-Melikoff spannende Einblicke in die Herausforderungen seiner neuen Rolle und zeigt, wie Wettbewerb nicht nur trennt, sondern auch stärkt. Ein Gespräch, das nicht nur Branchenprofis inspiriert, sondern auch wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Zürcher Veranstaltungsmarkts liefert.

 

Michel, du hast schon bei so unterschiedlichen Projekten wie der Street Parade und der Baselworld Pionierarbeit geleistet. Jetzt stehst du an der Spitze des Kongresshauses Zürich – ein Traditionshaus mit modernem Anspruch. Was hat dich an dieser Aufgabe gereizt, und was war dein erster Gedanke, als du den Posten übernommen hast?

Ich habe meine Berufskarriere und insbesondere meine Event Karriere in Zürich begonnen. Seither war ich beruflich in Basel und Lausanne, mein Herz blieb aber in Zürich. Seit 15 Jahren weiss mein Umfeld, dass es in Zürich zwei Häuser gab, die ich führen wollte, eines davon ist das Kongresshaus. Ich bin nach einem Jahr noch genau gleich fasziniert, nicht nur wegen des Hauses und der Lage, sondern vor allem wegen des Teams. Faszinierend ist auch, dass in diesem Traditionshaus eben nicht nur Kongresse, sondern auch andere gesellschaftlich, kulturell und wirtschaftlich relevante Veranstaltungen für Zürich stattfinden können.

 

Das Kongresshaus ist ja quasi ein Schwergewicht unter den Locations in Zürich, mit einer langen Geschichte und viel Prestige. Was würdest du sagen: Wie schwierig ist es, die Balance zwischen Tradition und dem Bedarf an Innovation zu halten?

Das ist genau der Reiz unseres Jobs. Wie bringe ich Innovation und Tradition unter ein Dach. Manchmal muss man geduldig sein, Biss haben und viel Überzeugungsarbeit leisten. Selten muss man auch mal akzeptieren, dass nicht immer alles beim ersten Mal funktioniert. Dies liegt vor allem daran, dass viele Parteien (Kunde, Tonhalle, Stadt, Denkmalschutz, etc.) mitreden und verschiedenste Bedürfnisse / Anforderungen in Einklang gebracht werden müssen.

 

JED Events und das Kongresshaus bedienen ja teilweise unterschiedliche Segmente, aber auch wir kommen uns immer mal wieder ins Gehege. Was denkst du, macht uns im Markt gegenseitig stärker – und wo sagst du: „Da, lieber Kollege, seid ihr echt nervig!“?

Nervig seid Ihr keineswegs! Ich pflege seit immer kameradschaftliche bis freundschaftliche Verhältnisse mit meinen Mitstreitern, weil wir ja die gleiche Passion teilen. Klar sind wir in gewissen Segmenten Konkurrenten, c'est la vie ….und in anderen Situationen können wir uns gegenseitig unterstützen. Genau dann werden wir stärker. Ich konnte in der Vergangenheit oft auf die Unterstützung meiner Mitstreiter zählen, wie sie sich auch auf mich verlassen konnten, wenn sie mal zu wenig Stühle oder Tische hatten.

 

Die letzten Jahre haben uns allen einiges abverlangt. Was glaubst du: Sind wir in Zürich inzwischen bei einer Marktsättigung angekommen, oder siehst du noch echte Potenziale für neue Locationprojekte?

Wäre ich Immobilen Promoter, dann würde ich noch ganz viel Potential sehen wollen. Nach 15 Jahren im Venue Management sehe ich das etwas differenzierter. Falls es denn tatsächlich so wäre, dass alle Venues in Zürich eine sehr hohe Auslastung haben und wir regelmässig Veranstaltungen wegen dieser hohen Auslastung an unsere Mitstreiter in anderen Städten verlieren, dann bräuchten wir neue Hallen. Zu oft wurden in der Schweiz in den vergangenen Jahren Hallen oder Infrastrukturen mit viel zu optimistischen Marktprognosen gebaut oder renoviert.

 

Kongresshaus, JED, Halle 622, kleinere Speziallocations – Zürich ist schon jetzt super divers aufgestellt. Was fehlt deiner Meinung nach noch? Gibt es vielleicht Formate oder Nischen, die wir als Branche stärker bespielen sollten?

Es fehlt meiner Meinung nach im Moment nichts in Zürich. Vorausschauend muss in Zürich allerdings geprüft werden, ob ein Bedarf an einer Multifunktionshalle für Kongresse und Konzerte mit einer Kapazität von ca. 3000 bis 4000 Gästen besteht und diese profitabel an zentralster Lage betrieben werden kann.

 

Wir haben beide erlebt, wie sich die Eventwelt durch die Pandemie verändert hat. Was hat sich deiner Meinung nach im Markt dauerhaft verändert, und worauf müssen sich Anbieter wie wir langfristig einstellen?

Die Pandemie hatte viel positive Auswirkungen: Die Leute sind sich wieder vermehrt bewusst, wie wichtig es ist, sich live zu treffen und auszutauschen. Da sind wir gefordert, die richtigen Formate anzubieten. In Zürich sind wir generell sehr verwöhnt, da wir eine hohe Dichte an großartigen Veranstaltungen haben. Dies zwingt uns zum Glück, kreativ / innovativ zu bleiben und immer wieder neue Formate / Angebote zu testen. Nach der Pandemie mussten wir allerdings auch negativ feststellen, dass Alles immer unverbindlicher und kurzfristiger wird, was eine deutlich höhere Flexibilität erfordert.

 

Mal Hand aufs Herz: Wenn du morgen eine Veranstaltung bekommst, die perfekt zu uns passen würde, schickst du sie rüber oder denkst du dir: „Ach, die kriegen wir hier schon auch irgendwie unter“?

Hier steht weder Deine noch meine Befindlichkeit im Vordergrund, sondern das Bedürfnis des Kunden. Falls er mich besucht, weil er das Gefühl hat, dass das Kongresshaus seine Bedürfnisse erfüllt, dann gebe ich ihm, wonach er sucht. Falls er sich beschwert, dass dem Kongresshaus der industrielle Schick einer ehemaligen Druckerei fehlt, dann schicke ich ihn Euch.

 

Ich sage ja immer: Gesunder Wettbewerb belebt das Geschäft. Was sagst du: Wo siehst du die feine Grenze zwischen „gesunder Wettbewerb“ und „unangenehm engen Ellenbogen“ im Zürcher Markt?

Klar gesunder Wettbewerb ist notwendig und gut. Ich beantworte dies am besten mit einem Beispiel:  Unanständig finde ich den Wettbewerb, wenn Du als Gast einer Veranstaltung bei uns im Kongresshaus meinen Kunden bei mir im Haus – vor meiner Nase - abwirbst. Wenn Du ihn lediglich auf die Vorzüge Deiner Venue aufmerksam machst, dann ist das noch OK. Der Kunde kann frei entscheiden. Die Grenze ist in der Tat sehr fein.

 

Eines haben das Kongresshaus und JED Events gemeinsam: Hinter beiden Locations steckt eine besondere Geschichte, die den Charakter der Räume stark prägt – bei uns die ehemalige NZZ-Druckerei, bei euch die historische Verbindung zur Tonhalle und die beeindruckende Renovation. Wie wichtig findest du es, diese Geschichten nach außen zu tragen, und wie setzt ihr das im Kongresshaus um, um eure Marke zu stärken?

Die genannten Faktoren sind sicher ein Teil unserer Identitäten. Sie entscheiden aber nicht allein über den Abschluss eines Vertrags. Da sind meines Erachtens andere Faktoren wichtiger, so die Qualität und der Umfang der Dienstleistungen/ Angebote sowie der Preis.

 

Hybride Events sind nach wie vor ein grosses Thema. Wie siehst du die Zukunft? Sind sie die neue Norm, oder geht nichts über den guten alten Händedruck und Live-Kontakt?

Die hybriden Events wurden nach der Pandemie meines Erachtens over-hyped. Wir stellen heute eher fest, dass der gute alte Händedruck und der Live-Kontakt wichtiger sind.
Nachhaltigkeit ist ein grosses Schlagwort, das uns alle betrifft.

 

Wo siehst du Zürich als Eventstandort in Sachen Nachhaltigkeit? Und mal ehrlich: Wie schwierig ist es wirklich, bei großen Projekten „grün“ zu bleiben?

Es ist eine Utopie zu glauben, dass grosse Projekte 100% grün oder CO2-neutral werden. Nichtsdestotrotz müssen wir alles Erdenkliche unternehmen, um die Nachhaltigkeit der Venues weiterhin zu fördern. Hier wurde in den vergangenen Jahren in vielen Venues schon viel gemacht und es kann sicherlich noch viel mehr gemacht werden. Erstaunlicherweise stellen wir fest, dass nur die wenigsten Kunden uns konkret darauf ansprechen, bzw. einen Nachweis für nachhaltiges Betreiben / Arbeiten verlangen.

 

In Zürich sind wir als Eventanbieter gezwungen, ständig kreativ und flexibel zu bleiben. Siehst du gemeinsame Projekte oder Kooperationen als Lösung, um den Markt noch besser zu bedienen – oder sind wir hier zu sehr Einzelkämpfer?

Wenn eine Kooperation Sinn macht, dann müssen wir sie andiskutieren.

 

Was machst du eigentlich, um vom Event-Trubel abzuschalten? Oder bist du einer von denen, die auch beim Wandern schon die nächste Saalbelegung planen?

Ich wandere nicht so oft…..abschalten kann ich am besten ab km 40 beim biken.

 

Wenn wir beide mal eine gemeinsame Location eröffnen würden, was wäre dein verrücktester Wunsch für die Ausstattung – und was würdest du mir auf keinen Fall erlauben?

Die Location müsste entweder ein Dach haben, welches sich wie bei modernen Fussballstadien öffnen lässt und / oder eine Wasserfläche (indoor) beinhalten. Ich würde Dir nicht erlauben, mir als Venue ein denkmalgeschütztes Haus vorzuschlagen.

 

Wir beide wissen, dass der Veranstaltungsmarkt manchmal hart umkämpft ist. Wo siehst du aktuell die größten Chancen für Locations wie das Kongresshaus und JED Events, um langfristig relevant zu bleiben? Und wo lauern die Stolpersteine?

Ganz klar im Service Angebot und in der Servicequalität. Kunden wünschen Services möglichst aus einer Hand. Jede zusätzliche Agentur oder weiterer Dienstleister kostet Geld. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Flexibilität der Teams für den Kunden. Ein Stolperstein für uns ist, Preisdumping zu machen, um einen Kunden zu gewinnen oder zu behalten. Wir alle – Kunden und Player in unserem Markt – müssen uns bewusst sein, dass ausserordentliche Leistungen ihren Preis haben.

 

Mal ein bisschen provokativ gefragt: Denkst du, dass Eventlocations in Zürich eigentlich mehr miteinander kooperieren sollten? Oder ist der Wettbewerb das Salz in der Suppe, das uns alle besser macht?

Natürlich sollten wir enger miteinander arbeiten. Auch wenn wir Mitstreiter sind, haben wir gemeinsame Interessen. Zusammen sind wir stärker.

 

Wenn wir gemeinsam eine Veranstaltung für die Eventbranche auf die Beine stellen müssten – sagen wir, einen Kongress für ‚Die Zukunft der Eventlocations‘ – was wären aus deiner Sicht die drei wichtigsten Themen, die wir bespielen sollten?

Sicherheit, Nachhaltigkeit und Innovation.

 

Zum Abschluss: Wenn du dir ein Wunschpublikum für das Kongresshaus aussuchen könntest – sei es ein globaler Event, eine bestimmte Branche oder ein einzigartiges Format – was würdest du dir wünschen? Und warum?

Ich werde hier nichts verraten, da ich mit 2 Veranstaltern daran bin, einen Wunsch zu erfüllen. Wenn dieser Wunsch Realität wird, werde ich Dich hier informieren.

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